Die Lahrer Zeitung titelt klickgeil und befragt wohl das Orakel

Nachtrag vom 7.5.2021: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Getreu dieser alten Volksweisheit hat gestern Abend um 19.11 Uhr die Lahrer Zeitung nachgelegt und die Öffnung des Europa-Parks und Rulantica an Pfingsten in Aussicht gestellt. Der Artikel ist jetzt seriöser formuliert und der Autor meint: „Die LZ hat auf Nachfrage beim Sozialministerium erfahren: Der Europa-Park soll ein solches Modellprojekt werden“.
Das stimmt alle Beteiligten froh, aber das Zitat „Exklusiv hatte die LZ am Donnerstag berichtet, dass der Europa-Park im Laufe des Juni (Richtig wäre Mitte / Ende Juni!) aus dem Lockdown zurückkehren könnte“ lässt uns dann doch schmunzeln. Es ist schon dreist und frech die eigene Kaffeesatzleserei als besondere „Exklusivleistung“ darzustellen. Der neue Artikel zeigt, dass die Zeilen des Vortags nicht fundiert waren.

Beitrag vom 6.5.2021:

Wir erinnern uns an Schlagzeilen der Lahrer Zeitung, einer Provinzpostille aus der „Schächteli-Stadt“ Lahr: „Chinesen wollen den Flughafen“ oder „Tote im Rhein war Erotik-Show-Tänzerin im Europa-Park“. Sie zeigen uns Verirrungen im Journalismus auf. Seit gestern kommt eine neue Überschrift dazu: „Öffnung im Juni? Hoffnung für den Europa-Park“ stand in der Online-Ausgabe des Blättchens zu lesen. Nun liest sich dieser Titel sehr optimistisch, aber Autor Felix Bender setzt auf das Fragezeichen in der Dachmarke. Ephraim Kishon, der große Autor und Satiriker, sagte einmal: „Die letzte große Waffe der alten, zahnlosen Tante Tageszeitung ist das Fragezeichen“.

Im Artikel erfährt man dann eigentlich nur eine News, dass im Sozialministerium am Mittwoch ein Gespräch war. Und darin sieht der Redakteur „Licht am Ende des Pandemie-Tunnels. Mitte, spätestens Ende Juni könnte der Neustart erfolgen“. Aha, denkt man sich beim Lesen dieser Zeilen und dann folgt die Ernüchterung: „Angesichts sinkender Infektionszahlen erwägt die Landesregierung Öffnungsschritte, etwa im Einzelhandel, Gastro- und Kulturbereich. Über Details hat das Sozialministerium am Mittwoch mit Vertretern aus rund 50 Branchen beraten – darunter auch die Geschäftsführung des Europa-Parks“. Aber diese Öffnungsschritte, die sind ja eigentlich schon im Infektionsschutzgesetz festgelegt?

Jetzt wird es spannend: „Die Pressestelle (Anm.: vom Europa-Park) in Rust bestätigte auf LZ-Nachfrage das Treffen. Was man sich davon erhofft und wie die Stimmung im Park ist, darüber schweigt man sich indes aus. Der Park hat sich während des Lockdowns selbst einen Maulkorb verpasst“. Wow, Maulkorb? Weil man nicht über etwas reden will, das man gar nicht weiß? Ist das ein Maulkorb? Herr Bender schreibt eigentlich über etwas, das er nicht weiß. Ergo: Dann muss sich der Autor des „Maulkorbs“ selbst Handfesseln verpassen. Das macht er nicht, er denkt an Klickzahlen und an die Lobeshymne seines Chefs und fabuliert weiter: „Die Ruster Spaßfabrik trägt Trauer – und verbrennt jeden Tag haufenweise Geld.“ Jetzt geht es wahrlich in Richtung Boulevard-Niveau.

Und weiter geht es: „Auf LZ-Nachfrage erklärte das Sozialministerium nach den Gesprächen am Abend, man wolle die Öffnungsstrategie »im Laufe der kommenden Woche rechtlich in trockenen Tüchern« haben. Bis dahin sollen auch verschiedene Rückmeldungen aus der Runde eingearbeitet werden“.

Wer hat denn nun etwas Belastbares über „Mitte, spätestens Ende Juni“ gesagt? Es wird keine Quelle zitiert, die Rede ist von „heißt es aus Stuttgart“. Wer war das in Stuttgart? Vielleicht ein Verkehrspolizist, ein Stadtführer oder vielleicht doch nur der Kiosk-Inhaber am Gleis 2 des Sackbahnhofs.

Felix Bender befragt jetzt scheinbar das Orakel, das er vorher mit den bekannten Werten eines Gesetzes gefüttert hat und schwups wird daraus „Öffnung im Juni?“ und „Mitte, spätestens Ende Juni könnte der Neustart erfolgen“. Kurzum, für den Autor gilt das Zitat von Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

Wieder einmal setzt der Redakteur auf die Zugkraft des Europa-Parks in der Überschrift. Das Interesse der Fans des Parks wird die Klickzahlen im Internet schon hochtreiben. Darauf muss die Lahrer Zeitung mit einer verkauften Auflage von 7400 Exemplaren (aufgerundet) wohl in der Zukunft setzen? Da ist es wieder, das Fragezeichen!

1 Kommentar zu „Die Lahrer Zeitung titelt klickgeil und befragt wohl das Orakel“

  1. Nachtrag vom 7.5.2021: Nichts ist älter als die Zeitung von gestern. Getreu dieser alten Volksweisheit hat gestern Abend um 19.11 Uhr die Lahrer Zeitung nachgelegt und die Öffnung des Europa-Parks und Rulantica an Pfingsten in Aussicht gestellt. Der Artikel ist jetzt seriöser formuliert und der Autor meint: „Die LZ hat auf Nachfrage beim Sozialministerium erfahren: Der Europa-Park soll ein solches Modellprojekt werden“.
    Das stimmt alle Beteiligten froh, aber das Zitat „Exklusiv hatte die LZ am Donnerstag berichtet, dass der Europa-Park im Laufe des Juni (Richtig wäre Mitte / Ende Juni!) aus dem Lockdown zurückkehren könnte“ lässt uns dann doch schmunzeln. Es ist schon dreist und frech die eigene Kaffeesatzleserei als besondere „Exklusivleistung“ darzustellen. Der neue Artikel zeigt, dass die Zeilen des Vortags nicht fundiert waren.

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