Boulevard-Journalismus in der Lahrer Zeitung nimmt zu / Es geht um Klicks und Follower

Wenn eine kleine Lokalzeitung den Aufbruch in die Online-Welt wagt, dann ist das nicht einfach. So die „Lahrer Zeitung“ (LZ), die neben dem Tagesgeschäft mit ihrem Printmedium auch auf die Klickzahlen im Netz und bei Facebook schielt und sie in die Höhe treiben will. Immerhin folgen ihr bei Facebook (Stand heute) schon fast 770 Menschen. Und das seit 12. Dezember 2017, sicherlich keine so stolze Leistung.

Nebenbei bemerkt: Die „Lahrer Zeitung“ wurde im Jahr 1794 gegründet. Die verkaufte Auflage beträgt aktuell laut IVW 7420 Exemplare. Damit hat sie in ihrer Auflage ein Minus von 48,5 Prozent seit 1998 eingefahren. Als ich meine Tätigkeit als freier Journalist bei der Lahrer Zeitung startete, das war im Jahr 1982, hatte die LZ eine Auflage von weit über 17.000 Exemplare.

Bei der Berichterstattung über den Fund einer Leiche bei Rust scheint die LZ investigativ mit primitiv zu verwechseln und tritt wichtige journalistische Grundzüge mit Füßen. Bei der Erstmeldung verkündet die Lahrer Zeitung, dass es bei der Toten um eine „Rusterin“ handelt, obwohl nichts davon in der Polizeimeldung zu lesen war. Falsch, Fake-News Nummer 1!

Seit gestern Abend hat der Lokalredakteur Felix Bender noch mehr den journalistischen Halt verloren. Er stürzt in den Abgrund und macht aus der Toten eine „Erotik-Show-Tänzerin aus dem Europa-Park“. Dabei bezieht er sich auf ein Gespräch mit dem Europa-Park und titelt reißerisch und klickheischend „ Tote im Rhein war Erotik-Show-Tänzerin im Europa-Park“. Dabei lehnt er sich vielleicht zufrieden zurück: „Fünf satte, schlagkräftige Worte oder Hashtags in einer Überschrift. Boah, das brettert!“

In dem Artikel zitiert er aber den Europa-Park kein einziges Mal mit dem Begriff „Erotik-Show-Tänzerin“ und er macht aus dem Veranstaltungsformat „Night Beat Angels“ eine Erotik-Tanz-Show. Falsch, Fake-News Nummer 2! Im Europa-Park gibt es aber gar keine Erotik-Tanz-Sow, folglich auch keine Erotik-Show-Tänzerin.
Verwechselt, die gab es früher in Lahr zu Kanadierzeiten in mehreren Etablissements, das als kleinen geschichtlichen Exkurs für junge Redakteure.

Er führt die geneigte Leserschaft auf dem Holzweg in die Gosse. Das ist höchst bedauerlich, denn die Verstorbene war nach meinen Informationen eine international ausgezeichnete ARTISTIN und auf keinen Fall eine „Erotik-Show-Tänzerin“. Aber „Erotik-Show-Tänzerin“ vermittelt Rotlicht, und Skandal und „Europa-Park“ soll helfen, dass die Follower und die Klicks im Netz steigen.

Ich habe den Autor übrigens schon vorgestern angerufen und ihm gesagt, dass er in meinen Augen den Beruf verfehlt hat. Für die Samstagausgabe hatte er ein Live-Interview der Schweizer Onlineplattform 20min.ch mit Europa-Park-Chef Roland Mack einfach abgeschrieben. Ich fragte ihn, ob er der Meinung sei, dass seine Leserschaft in Rust oder Lahr kein Internet habe. „Sie sollten sich mal die Klickzahlen des Artikels anschauen“, betonte er stolz.

Die Klickzahlen sind also der Hintergrund der Arbeit und nicht mehr der journalistische Kodex: „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien. Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.“

Schade!

Deshalb werde ich gegen die LZ und den Autor beim Presserat sowie beim Deutschen Journalisten Verband morgen Beschwerde einlegen.

Bernhard Rein

4 Kommentare zu „Boulevard-Journalismus in der Lahrer Zeitung nimmt zu / Es geht um Klicks und Follower“

  1. Unfassbar! Ich kann mich Bernhard Rein nur anschließen.

    Das ist widerwärtig und unterste Schublade. Denkt von diesen Leuten niemand an die Angehörigen???

  2. Sehr geehrter Herr Rein,

    ich gehe davon aus, dass dieser Kommentar nie das Licht der Öffentlichkeit sehen wird.
    Dennoch: Es zeugt nicht von gutem Stil, als ehemaliger Mitarbeiter, der immer wieder versucht, sich bei besagter Zeitung als Freier aufzudrängen, seinen Frust auf diese Art und Weise so öffentlich zu präsentieren und eine ärmliche Rache-Schmutz-Kampagne zu starten. Denn als solches ist dieser Artikel nur zu lesen.
    Und Sie unterschätzen die Leserschaft mit ihrem arroganten Blickwinkel, sich als „Schützer des Lokaljournalismus“ auftun zu wollen. Auch Ihr Name ist einfach im Internet zu finden und Ihre Vorstellung von „investigativem“ Journalismus sowie die Tatsache, für wen oder was Sie arbeiten.
    Mit freundlichen Grüßen

  3. Lieber Herr Pinter, ich kenne Sie nicht, aber ich kann mir denken, dass Sie ein flammender Fanboy der LZ sind. Kann das sein? Wie Sie bereits bemerkt haben, bin ich in der glücklichen Lage, dass ich für die Minimalhonorare der LZ nicht arbeiten MUSS. Und deshalb dränge ich mich auch nirgends auf. Die Bilder, die von der LZ bisher von mir veröffentlicht wurden, die wurden auch kostendeckend für mich honoriert. Aber keine Angst: Die LZ habe ich aus meinem Verteiler rausgenommen.
    Frohes Schaffen!
    P.S. Leider ist mir Ihr Kommentar erst heute bei einem Serverumzug aufgefallen, so wie auch zwei andere Kommentare 🙂

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